Geist & Buchstaben auf Papier, 21 x 30 cm, 1799 - 2014.
Wir können wissen wollen und danach streben etwas zu erkennen. Wir können gute Absichten haben und diese verwirklichen.
Aber können wir Vorstellungen entwerfen, die nur um ihrer selbst willen wertvoll sind? Können wir Vorstellungen entwerfen, die sich um ihre materiale Darstellung gar nicht sorgen, sondern einen Raum eröffnen, der wie eine unsichtbare Kathedrale einen Grundriss in unser Verhältnis zum Vorgestellten fügt.
Belebt uns die Kunst mit geistreichen Gefühlen?Ist Geist das Vermögen unser Fühlen überhaupt in die Form des Bewusstsein zu bringen?
Unbemerkt proklamiert Johann Gottlieb Fichte 1799 die Idee des „Ready Mades“ – ehe sie im intellektuellen Leuchtfeuer Marcel Duchamps zu Beginn des 20. Jahrhunderts berühmt wurde, um in der Folge meist als eine ikonoklastische „anything-goes“ Geste mißverstanden zu werden.
Dagegen könnten wir von Fichte lernen: „Der begeisterte Künstler wendet sich gar nicht an unsere Freiheit, er rechnet auf dieselbe so wenig, daß vielmehr sein Zauber erst anfängt, nachdem wir sie aufgegeben haben. (…) aber die unangebauten Felder unseres Gemüts werden doch geöffnet“ (Dritter Brief, Über Geist und Buchstab, 1799).
SO KANN ES GLEICHFALLS GESCHEHEN, DASS DIE VORSTELLUNG EINES WIRKLICH VORHANDENEN GEGENSTANDES DEM ÄSTHETISCHEN TRIEBE VOLLKOMMEN ANGEMESSEN SEY, NUR BEZIEHT SICH DIE DANN EINTRETENDE BEFRIEDIGUNG DIESES TRIEBES SCHLECHTERDINGS NICHT AUF DIE ÄUSSERE WAHRHEIT DER VORSTELLUNG; DAS ENTWORFENE BILD WÜRDE NICHT MINDER GEFALLEN, WENN ES LEER WÄRE, UND ES GEFÄLLT NICHT MEHR, WEIL ES ZU-FÄLLIGER WEISE ZU-GLEICH ERKENNTNIS ENTHÄLT.
Johann Gottlieb Fichte,
Über Geist und Buchstab in der Philosophie, 1799.