Ludwig Wittgenstein
Das »Sprachlabor« der sozialen Praxis ist ein offenes Experimentierfeld für die Erforschung der Möglichkeitsräume in denen wir Worte miteinander austauschen.
Allerdings sind wir nicht nur manchmal miteinander im Gespräch, sondern wir sind – um es mit Friedrich Hölderlin zu sagen – das Gespräch selbst1. Die Sprechakte, durch die wir unser Leben gestalten, beschreiben die Lebensform2 in der wir uns bewegen. Eine Lebensform aber umfasst weit mehr als das bloße Sprechen; sie umfasst die Gesamtheit der Praktiken einer Sprachgemeinschaft. »Unsre Rede erhält durch unsre übrigen Handlungen ihren Sinn.«3
Kurz: wie und wovon wir sprechen, zeigt in welcher Welt wir leben und leben wollen.
So ist jedes Gespräch in der sozialen Praxis unmittelbar nur ein Austausch von Worten, aber: „Durch Worte kann ein Mensch den anderen selig machen oder zu Verzweiflung treiben, durch Worte überträgt der Lehrer sein Wissen auf die Schüler, durch Worte reißt der Redner die Versammlung der Zuhörer mit sich fort und bestimmt ihre Urteile und Entscheidungen. Worte rufen Affekte hervor und sind das allgemeine Mittel zur Beeinflussung der Menschen untereinander.“4 Denn »Worte waren Ursprünglich Zauber« und sind es noch!5. Das heißt: wie und wovon wir sprechen, zeigt in welcher Welt wir leben und leben wollen und das heißt auch, dass wir dieses Sprechen gemeinsam fortlaufend durch unser »Gespräch-Sein« erzeugen.
Menschen befinden sich a priori in einem dialogischen Miteinander6 .
Deshalb dient das »Sprachlabor« als Platform für unterschiedliche Untersuchungen:
1 Friedrich Hölderlin: Werke und Briefe, Frankfurt, 1982, Band I, S.166.
2 Sich „eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen“ (Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, §19).
3 Ludwig Wittgenstein, Über Gewissheit, §229.
4 Sigmung Freud, Studienausgabe Bd. 1: Vorlesungen zur Einführung in Psychoanalyse und Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. Frankfurt, 1982, S.43.
5 Steve de Shazer: Worte waren ursprünglich Zauber. Von der Problemsprache zur Lösungssprache. Heidelberg, 2009.
6 Für eine Begründung dieses Satzes siehe u.a. Johann Gottlieb Fichte: Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre, Hamburg, 1995, S.215ff oder Reinhard Lauth: Transzendentale Entwicklungslinien von Descartes bis zu Marx und Dostojewski, Hamburg, 1989, S.193ff.